Jede christliche Missionsgesellschaft hat mehrere Geschichten. Je nach Blickwinkel und Fragestellung ist es die Geschichte einer Mission in ihrer Herkunftsregion oder die Geschichte interkultureller Begegnungen an ihren Wirkungsorten und damit ein Teil der Geschichte derjenigen, auf die die Aktivitäten der Mission gerichtet waren. Innerhalb der Dänisch-Englisch-Halleschen Mission (Tranquebarmission), die von 1706 bis 1845 in Südostindien wirkte, waren neben mehr als 50 europäischen Missionaren mehrere Hundert Inder als technisches Personal (Träger, Köche, Wäscher, Glöckner, Totengräber), Missionshelfer im engeren Sinn (Vorbeter, Bibelfrauen, Gehilfen, Lehrer, Katecheten, Landprediger) sowie Dolmetscher, Sprachlehrer und Informanten tätig. Die Entstehung und Entwicklung dieser lokalen Mitarbeitergruppe ist nicht nur missionsstrategischen Überlegungen geschuldet, sondern auch das Ergebnis der aktiven Mitgestaltung durch die indischen Angestellten selbst. Die Motive, die zur Konversion und zur Mitarbeit innerhalb der Tranquebarmission führten, sowie die Stellung der "Nationalarbeiter" innerhalb des hierarchisch organisierten Missionsgeschehens zeigen, dass die indischen Mitarbeiter sich (ebenso wie die Missionare) durch die Missionsarbeit veränderten und dass sie diese Veränderungen nutzten, um ihrerseits Einfluss auf das Missionsgeschehen zu nehmen. Insbesondere im Missionsschulwesen und in der Forschung kam den Indern, darunter auch Frauen, die Rolle aktiver Mitgestalter zu.
