Er war der letzte "große alte Mann" aus der Reihe jener europäischen Dirigenten, die bis weit über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus in den Konzertsälen und Opernhäusern beiderseits des Atlantik das kulturelle Leben maßgeblich beeinflusst haben. Doch bei keinem von ihnen lagen Triumpf und Tragödie so nahe beieinander wie bei Otto Klemperer. Die Vertreibung aus Europa und der zunehmende Kampf um die schwer geschädigte Gesundheit haben Klemperers Auftritte in Europa stark eingeschränkt. Ihn auf dem Konzertpodium zu erleben, war deshalb nur Wenigen vergönnt. Umso größer ist die Bedeutung der Live- Mitschnitte jener Abende, deren Höhepunkte auf den 10 CDs dieser Kollektion zusammengefasst sind. Empfehlungen von Hans Pfitzner und Gustav Mahler hatten Klemperer zunächst nach Prag, Hamburg und Straßburg gebracht, ehe Köln ihn zum Generalmusikdirektor ernannte (Uraufführung Korngold "Die tote Stadt" 1920). Nach einer Zwischenstation in Wiesbaden übernahm er 1927 die Leitung der Kroll-Oper in Berlin. Die Wirtschaftskrise erzwang 1931 die Schließung des Theaters. Heftige Anfeindungen und die drohende Verfolgung veranlassten den zum Katholizismus übergetretenen Juden Klemperer, Deutschland zu verlassen. In Los Angeles und zeitweilig auch in Pittsburgh übernahm er die Leitung der dortigen Orchester. Die Emigration markiert jedoch nur eine Etappe auf dem beginnenden Leidensweg. Als Spätfolge eines Sturzes bei einer Orchesterprobe in Berlin wurde in Amerika eine komplizierte Schädeloperation nötig. Die Folge: teilweise rechtsseitige Lähmung, nervliche Zerrüttung, lange Arbeitsunfähigkeit. Nach dem Krieg erste neue Tätigkeit in Budapest. Auf der Rückreise im Flughafen Montreal erneuter Sturz. Fortan war Dirigieren nur noch sitzend möglich. In Zürich geriet später sein Bett in Brand. Fünfzehn Prozent der Haut verbrannten. Große Projekte, darunter ein Bayreuther "Tristan", mussten abgesagt werden. Die Aufnahmen dieser Kollektion sind deshalb auch ein Dokument der Unbeugsamkeit eines großen Künstlers gegenüber der Unerbittlichkeit des Schicksals.